Therapeutisches Reiten - Segeberg
Therapeutisches Reiten
Bad Segeberg – die Stadt, die außer für die Karl-May-Spiele und Möbel Kraft auch als „Reiterstadt“ in Schleswig-Holstein bekannt ist. So lag es eigentlich nahe, dass der Lions Club Segeberg nach einer Verbindung zwischen seiner Arbeit und dem Reiten gesucht hat. Fündig wurden aber erst die beide „Pferde-Narren“ Peter Meier (Lions-Präsident 2018/19) und Winfried Weber (Lions-Präsident 2019/2020).
Für das Landesturnier 2019 wurde ein Springhindernis mit Lions-Emblemen und in Lions-Farben gebaut, in die Parcours integriert und bei einer speziellen Springprüfung eine besondere Form der Spendensammlung geschaffen: Bei jeder fehlerfreien „Überquerung“ des Hindernisses kamen 5 Euro in den Spendentopf. Aufbauend auf einen Sockelbetrag kamen so im ersten Jahr 2019 mehr als 2.000 Euro zusammen. Die erste Wiederholung beim Landesturnier 2020 litt unter „Corona“, so dass bei der Wiederholung „nur“ eine Summe von 1.300 Euro „ersprungen“ werden konnte.
Gesammelt wurde das Geld für eine besondere Form der Reiterei, die dem Pferdesportverband Schleswig-Holstein sehr am Herzen liegt: das therapeutische Reiten als Sport für Menschen mit Behinderung. Und auch das findet in der Region der „Reiterstadt Bad Segeberg“ statt. Die Trave-Schule (Förderzentrum mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung) in Bad Segeberg bietet für seine Schüler/innen ein Projekt „therapeutisches Reiten“ an, wenn ausreichend Spendenmittel zur Verfügung stehen. Durchgeführt wird das Projekt im Reitstall von Reitlehrerin Karin David-Studt in Mielsdorf.
Aufgrund der vielfältigen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie konnte aber auch das therapeutische Reiten der Trave-Schule lange Zeit nicht stattfinden. Seit dem Ende der Sommerferien geht es jetzt aber wieder regelmäßig nach Mielsdorf. Und damit ergab sich endlich die Möglichkeit für den Lions Club Segeberg, zum einen die Spendensumme des Jahres 2020 zu übergeben, zum anderen sich aber auch selbst einen Eindruck von Theorie und Praxis des therapeutischen Reitens zu machen.
„Für Menschen mit Behinderung kann eine Therapie mit Pferden nicht nur einen förderlicher Effekt auf körperliche Funktionen haben, dem therapeutischen Reiten wird auch eine positive und motivierende Wirkung auf die Psyche nachgesagt.“ erläuterte Frederike Arfmann, zuständige Lehrerin der Trave-Schule, den anwesenden Lions-Mitgliedern. Als Therapiepferde werden kleine Tiere wie Isländer oder Ponys eingesetzt, da deren Schrittfrequenz sehr ähnlich zu der des Menschen ist. Das Tier sollte besonders ruhig und ausgeglichen in seinem Wesen sein, sodass sich die Gelassenheit, Stärke und Ruhe auch auf die Schülerinnen und Schüler positiv auswirken kann.
Zur Wirkung der Reittherapie machen Frederike Arfmann und Karin David-Studt auf folgende Erfahrungen aufmerksam: Durch dreidimensionale Schwingungen, die die Kinder mit Behinderung auf dem Pferderücken wahrnehmen, werden Verspannungen gelöst und Blockaden überwunden. Das Körpergefühl, die Selbsteinschätzung und Wahrnehmung werden so positiv beeinflusst. Weitere Kräfte bei der Beschleunigung und beim Bremsen wirken auf den Körper ein und stärken langfristig die Muskulatur. Es werden verschiedenste Muskelgruppen beansprucht und die Kondition verbessert. Gleichzeitig werden die Konzentrationsfähigkeit und der Gleichgewichtssinn gefördert. Auch die Nähe zu den Tieren kann Motivation schaffen und das Selbstvertrauen positiv beeinflussen.
All das passt gut zur Trave-Schule, die sich an dem übergeordneten Ziel: „Leben lernen für ein selbstbestimmtes Leben in sozialer Integration“ orientiert. Im Schulkonzept ist zu lesen: „Dazu ist es notwendig, selbstbestimmt entscheiden und handeln zu können. Unabhängig von ihrer jeweiligen Beeinträchtigung brauchen unsere Schüler Zutrauen zu sich selbst und Entscheidungsmöglichkeiten, um Verantwortung bei der Lebensgestaltung und der Zukunftsplanung übernehmen zu können. Lebensweltorientiertes Lernen in ganzheitlichen Sachzusammenhängen und wirklichkeitsnahen Situationen unterstützt diesen Prozess wirkungsvoll.“
So viel zur Theorie – in der Praxis erleben die Lions-Mitglieder acht Schülerinnen und Schüler mit ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen, aber einer für alle wahrnehmbaren Freude an dieser besonderen Schulstunde. Trotz weniger Reitstunden seit den Sommerferien gehen die Kinder ohne Scheu, aber aufmerksam und liebevoll auf die vier Ponies zu. Die Tiere werden zum „Warmwerden“ gestriegelt, dann gemeinsam auf den Reitplatz geführt und nacheinander darf jede und jeder reiten. Wer gerade nicht reiten kann, wartet ruhig und begleitet die reitenden Mitschüler zu Fuß.
„Es ist beeindruckend, welche Entwicklungen unsere Kinder in dieser anderen Umgebung machen.“ freut sich Lehrerin Frederike Arfmann. „Beeindruckend“ ist auch das richtige Wort für eine besondere Situation – ein Mädchen, das scheinbar teilnahmslos, zusammengesunken und mit geschlossenen Augen in ihrem Rollstuhl sitzt, wird auf den Pferderücken gelegt, sicher gehalten und mit dem Pony über den Reitplatz geführt. Die Augen sind mit einem Mal offen und aufmerksam, den Rücken hält das Mädchen aus eigener Kraft, die vorher nicht vorstellbar war, gerade. Momente, die den Zuschauer mit offenen Mund staunen lassen.
„Wir freuen uns, dass wir bei diesem Termin auch gleich das Projekt und die Ausbildung, die Arbeit und den Unterstützungsbedarf umfassend vorgestellt bekommen und so einen aktuellen Einblick zu erhalten. Unsere Förderung ist wirklich gut angelegt,“ stellt Dieter Pulvermann, Präsident des Lions Club Segeberg, zufrieden fest.